Unsere Bilder von Gott und dem Leben nach dem Tod

Wüsste man nicht, dass sich diese Statue in der katholischen Kathedrale von Sevilla befindet und deshalb Maria und das Jesuskind darstellen muss, könnte man meinen, es handle sich um das Original oder eine zeitnahe Kopie der Statue der ägyptischen Göttin Isis, die ihren und des Osiris Sohn Horus im Arm hält. Der Mond unter den Füssen der Göttin ist bei beiden Ausführungen zu sehen.


Zu diesem Thema habe ich bisher zwei Bücher verfasst:
Gott, Götter und Idole. Und der Mensch seinem Bild und
Wir sterben und wissen nicht wohin. Bilder vom Jenseits.
Siehe dazu die Seite: Eigene Werke.

Gemeinsam vertreten beide Bücher die These, dass wir über Gott und das Jenseits, soweit es sie gibt, nur in Bildern reden können.
Anders ausgedrückt: Von Gott und einem Leben nach dem Tod, soweit es sie gibt, kennen wir nur Bilder.
Eine zweite These geht ein Stück weiter: Diese Bilder stammen von uns, haben nicht unbedingt eine Entsprechung in der 'Wirklichkeit' und sie sind uns auch nicht 'geoffenbart' worden, weil auch die sogenannten heiligen Schriften menschliches Wort sind. Sie stammen aus unserem Wunsch nach Gott und einem Weiterleben.

Dies bedeutet erkenntnistheoretisch eins: Wir kennen Gott und das Jenseits, soweit es sie auch gibt, nicht. Ontologisch begründen unsere Wünsche keinesfalls die Existenz von anderen Wesen, geschweige denn von Gott. Das bedeutet, dass wir nicht mal wissen, ob 'Gott' oder ein Leben nach dem Tod existieren.
Psychologisch bedeutet dies, dass wir die Gefahr laufen, unsere Bilder als Götter (Idole) anzusehen und sie kultisch anzubeten. Das bringt die Gefahr der Idolatrie einerseits mit sich und der Verachtung von Menschen, die andere Bilder verwenden ('Andersgläubige' oder 'Ungläubige').
Humanistisch bedeutet diese 'Erkenntnis', dass wir uns am besten mit den Menschen selbst befassen sollten, die unterschiedliche Wunschbilder entwerfen, dass wir mit den Menschen reden und über ihre jeweiligen Bilder (Auffassungen) diskutieren, um ein gegenseitiges Verständnis zu erreichen.

Swetlana Alexijewitsch, die in Weißrussland lebende Nobelpreisträgerin für Literatur im Jahr 2015, sagte in einem Interview, alle, die in der ehemaligen Sowjetunion gelebt haben, seien Opfer von Ideologien.
Ideologien sind theoretisch strukturierte und weitergesponnene Ideen. Und Ideen entsprechen unseren Bildern oder Einbildungen. Die meisten -ismen, inklusive des Katholizismus und des Kommunismus, aber auch des Atheismus, sind Ideologien, die ihre Opfer brauchen und hervorbringen.

Ein anderes Zitat hörte ich jüngst und Bezug auf die Terroranschläge, die überall verübt werden: "Ungebildete werden oft zu Terroristen.". Ich stelle diese 'Weisheit' in Frage. Zunächst möchte ich die 'Ungebildeten' vor dem Verdacht des Terrorismus schützen. Nicht nur sie können zu Terroristen werden. Gebildete können es genauso gut und oft werden. Denn Ge-bildete handeln aus dem Glauben an ihre Bilder, sie sind Überzeugungstäter und Leader der ungebildeten Terroristen.

Bilder sind also gefährlich. Man muss mit ihnen Leben, sie aber relativieren.